Ausrüstung

Kappzaum: Welches Modell wofür passt

Ein Artikel von Claudia Weingand | PS | 14.12.2017 - 00:40
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Desmond O’Brien gilt als Koryphäe in Sachen Kappzaum – er weiß, dass Pferde von einer sorgfältigen Ausbildung mit dem Kappzaum profitieren. © Neddens Tierfotografie | avBUCH | CADMOS

Das Kernstück fast jedes Kappzaums ist das Kappzaumeisen: Es soll der Form des Nasenrückens entsprechen, um optimal aufzuliegen. Da der knöcherne Nasenrücken nicht völlig rund ist, sondern Kanten aufweist, müssen sich diese auch im Eisen wiederfinden.

Generell gilt: Je besser die Passform, desto effizienter die Paraden und desto geringer die Gefahr des Verrutschens bei einem Zügelanzug.


Der Wiener Kappzaum

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Der Wiener Kappzaum wird in der Regel speziell angefertigt. Durch seine gute Passform lässt er sich sehr vielfältig einsetzen.
© Igor Tichonow - AdobeStock.com

Das Wiener Modell ist der klassische Kappzaum der Spanischen Hofreitschule. Er verfügt über ein nur über ein Backenstück und einen Umlaufriemen. Er muss nicht verstellt werden, da es sich um einen Maßzaum handelt, der für jeden Hengst speziell angefertigt wird. Das heute übliche Kappzaumeisen der Spanischen Hofreitschule hat eine glatte Innenseite. Es wird mit Leder überzogen und mit einer Polsterung unterlegt. Das Wiener Modell gibt es in verschiedenen Varianten. Durch seine gute Passform ist er vielseitig einsetzbar – vom Longieren, über Arbeit an der Hand und Langzügelarbeit bis hin zum Führen und Reiten.

Der englische Kappzaum

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Der englische Kappzaum mit Kappzaumeisen aus Messing (hier über einen Trensenzaum verschnallt) hat eine dicke Polsterung und ist dadurch meist recht wuchtig. © www.slawik.com

Beim englischen Kappzaum ist das Naseneisen häufig aus Messing gefertigt, was ein Nachteil sein kann. Denn Messing ist weicher als Eisen und kann sich daher unter Zug auch verformen. Wer also ein heftiges Pferd hat und mit dem Kappzaum vor allem Longieren möchte, ist mit einem anderen Modell unter Umständen besser beraten.

Ein weiterer Unterschied zum bereits beschriebenen Wiener Modell: Die Kappzaumeisen sind meist rund geformt und entsprechen damit nicht den Konturen des Nasenrückens des Pferdes. Dadurch haben sie eher die Tendenz auf dem Pferdekopf zu rutschen. Zusätzlich sind sie oft sehr dick gepolstert. Das schon einerseits die Pferdenase, andererseits verzeiht der englische Kappzaum auf diese Weise eher Fehler in der Handhabung. Allerdings wird die Einwirkung durch die dicke Polsterung auch schwammig.

Auf zarten Pferdeköpfen wirkt der englische Kappzaum oft sehr wuchtig und stößt aufgrund seines höheren Eigengewichts fallweise auf Ablehnung bei sensiblen Pferden.

Der spanische Kappzaum

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Die blanke Serreta kommt vor allem bei der Ausbildung von Stierkampfpferden in Spanien zum Einsatz. © www.slawik.com

Die spanische Version des Kappzaums ist die Serreta. Serreta heißt ins Deutsche übersetzt so viel wie „kleine Säge“. Ein Blick auf das Naseneisen der Serreta macht klar, woher der Name rührt. Das aus einem Stück gefertigte, unbewegliche Metallstück weist auf der Innenseite Zacken auf. Dadurch wirkt es sehr scharf auf den empfindlichen Nasenrücken des Pferdes.

Vor allem die Spanier sind in der Anwendung der Serreta Puristen und verwenden sie gänzlich ohne Unterlage. Der (tierschutzrelevante) Grund: Gehorsam wird beim Stierkampf aus verständlichen Gründen groß geschrieben. Die Pferde müssen blitzschnell auf die Hilfen ihres Reiters reagieren. Ein Zögern kann für Mensch und Pferd in einem Desaster enden.

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Eine ungepolsterte Serreta führt leicht zu schmerzhaften Wunden auf der Pferdenase. © www.slawik.com

Inzwischen kommt man aber auch in Spanien immer häufiger von der Nutzung der blanken Serreta ab. Denn meist stellt sich erst im Laufe der Ausbildung heraus, ob sich ein Pferd für den Stierkampf eignet.

Was vielen Pferden ein Leben lang von ihrem Stierkampftraining bleibt sind Narben, die der Gebrauch der Serreta auf ihrem Nasenrücken hinterlässt. Da dies zunehmend den Verkaufserlös mindert, werden spanischen Ausbilder seit einiger Zeit dazu angehalten, das Naseneisen mit Leder zu unterlegen.

Ganz gleich ob pur oder mit Leder: Die Serreta gehört nicht in ungeübte Hände! Wenn überhaupt, sollte sie nur von einem erfahrenen Profi verwendet werden. Angesichts der Auswahl, die es landauf landab an unterschiedlichen Kappzaummodellen gibt, wird es nicht schwerfallen eine passende pferdeschonendere Alternative zu finden.

So wirkt der Kappzaum

Der Kappzaum wirkt an verschiedenen Stellen des Pferdekopfs, vor allem aber auf das Genick und natürlich den Nasenrücken. Letzterer ist sehr empfindlich. Unter der Haut, die direkt ohne polsternde Fett- oder Muskelschicht über dem Nasenbein liegt, befinden sich sehr viele sensorische Punkte – mehr sogar, als in der Handfläche eines Menschen. Da jeder weiß, wie sensibel und feinfühlig man in der Handfläche ist, kann man erahnen, wie sensibel der Nasenrücken des Pferdes ist. Tippt man einem jungen Pferd mit dem Finger auf den Nasenrücken, wird es dem Druck weichen und nicken. Drückt man hingegen mit dem Finger auf die Zunge, wirft es den Kopf hoch und versucht, den Finger auszuspucken. Es „geht dagegen“ – es wehrt sich.

Öffnet ein mit Kappzaum gezäumtes Pferd das Maul, entsteht über den Unterkiefer Druck auf den Kinnriemen, der über das Kappzaumeisen auf den empfindlichen Nasenrücken weitergeleitet wird. Dieser Druck ist für Pferde unangenehm. Schließt das Pferd das Maul wieder, fällt dieser unangenehme Druck weg. Das Pferd wird in der Konsequenz vom Aufsperren des Mauls abgehalten. Der Nasenriemen arbeitet also selbsttätig – das funktioniert aber nur, wenn der Kappzaum nicht zu fest zugeschnürt ist.

Bei schweren Modellen kann der Druck auf das Genick für das Pferd unangenehm sein. Trotzdem rät Desmond O’Brien davon ab, Umlaufriemen und Genickriemen mit Fell zu unterlegen. „Das ist in meinen Augen falsch verstandene Tierliebe. Die Polster beanspruchen zusätzlichen Platz und drücken dadurch häufig auf die empfindlichen Ohrmuscheln.“ Auch zu enge Stirnriemen seien sehr ungünstig.

Der portugiesische Kappzaum

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Die eleganten portugiesischen Kappzäume werden in Portugal vor allem bei Schauwettbewerben und Körungen verwendet. © www.slawik.com

Portugiesische Kappzäume werden oft mit langem Kinnriemen für „englische Verschnallung“ (wie ein englisches Reithalfter) gefertigt. Das lässt den Pferdekopf vorteilhafter zur Geltung kommen als die hannoversche Verschnallung, die bei den meisten anderen Kappzäumen üblich ist.

Elegante, feine Kappzäume mit sehr schmalem Messingband werden in Portugal bei Schauwettbewerben, Hengst- und Stutenkörungen verwendet. Da das Messingband verformbar ist, passt es sich sehr gut an die jeweilige Pferdenase an – ein Vorteil, wenn man mehrere Pferde nacheinander vorführt.

Der Nachteil: durch das häufige Verbiegen kommt es zu Haarrissen im Messing. Das Kappzaumeisen muss daher regelmäßig ausgetauscht werden, bei häufiger Verwendung mehrmals pro Jahr. Aufgrund seiner filigranen Bauart eignet sich dieses Kappzaummodell nur für Pferde, die sehr fein auf die Hilfen reagieren. Die Grundausbildung sollte idealerweise auf einem solideren Kappzaummodell erfolgen.

Der französische Kappzaum

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Das französische Cavecon passt sich dank seines mehrgliedrigen Nasenteils gut an die Pferdenase an. © Pamela Sladky

Das Caveçon stammt ursprünglich aus der französischen Camargue. Das Kappzaumeisen des Caveçons besteht aus einer Fahrradkette, die mit Polsterleder überzogen wird. Die Naht verläuft an der Außenseite, damit sie nicht am Nasenrücken reibt.

Dieses Kappzaum-Modell hat sich in der Praxis sehr bewährt, da es sich durch die Beweglichkeit der Kette praktisch jeder Pferdenase anpasst, gleichzeitig aber genug Stabilität hat, um nicht zu fest geschnallt werden zu müssen. Bei schmalen Pferdenasen sollte die Kette gekürzt werden.

Ist die Fahrradkette nur mit Leder ummantelt, ist die Auflagefläche relativ klein, die Wirkung also punktuell und entsprechend präzise. Daher sollte der Ausbilder mit viel Gefühl einwirken können, um dem Pferd keine Schmerzen zuzufügen.

Noch mehr Kappzäume

Davon abgesehen sind auf dem Markt sehr viele weitere Modelle zu finden. Für den Laien ist es oft schwer, Vor- und Nachteile der angebotenen Ware festzustellen. Es werden sehr preisgünstige Modelle angeboten, die zwar leicht sind, allerdings sehr unpräzise in der Einwirkung. Selten sind die billigsten Angebote die besten. Wichtig: Der Kappzaum muss vor allem den Ansprüchen des Benutzers gerecht werden. Soll ein Pferd nur zweimal im Jahr an der Longe bewegt werden, muss nicht der teuerste Kappzaum dafür verwendet werden. Bei intensiver Arbeit sieht es allerdings anders aus: Je besser das Werkzeug, desto besser kann das Ergebnis sein (sofern der Umgang mit diesem Werkzeug erlernt wurde).

Welches Modell sich für wen eignet, hängt von der Erfahrung des Ausbilders und auch von lokalen Traditionen ab. An der Spanischen Hofreitschule in Wien wird nur das „Wiener Modell“ verwendet, in Spanien wird die Serreta bevorzugt und in Südfrankreich das Caveçon. „Die Ausbilder dort probieren keine zig Modelle aus, sie wissen ihr Werkzeug normalerweise fachgerecht einzusetzen“, weiß Desmond O’Brien.

Im Freizeitbereich rät er dazu, sich umfassend beraten zu lassen und realistisch einzuschätzen, wie präzise man bereits einwirken kann. Kappzäume gehören nicht in Anfängerhände. Egal, welches Modell man wählt – Longieren, Führen oder Reiten am Kappzaum muss genauso gelernt werden wie das Reiten selbst. „Wichtig ist ansonsten einfach, dass der Kappzaum dem Pferd passt. Er darf nirgends drücken, soll stabil liegen und nicht rutschen“, so O’Brien.

Buchtipp

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     © Cadmos

Klassische Arbeit an der Hand, mit der Doppellonge oder unter dem Sattel wird immer beliebter. Unverzichtbare s Ausbildungsinstrument dafür ist der Kappzaum. Aber wie setzt man ihn korrekt ein? Wie wird er verschnallt, wie hilft er beim Longieren und wie bei der Umstellung auf Trense und Kandare? Desmond O’Brien, ehemaliger Bereiter und Sattler an der Spanischen Hofreitschule, erklärt genau, was einen guten Kappzaum ausmacht und wie er eingesetzt wird – von der Basisarbeit bis zur Hohen Schule.

Klassische Arbeit am Kappzaum
Die Ausbildung am Boden und unter dem Sattel
Desmond O´Brien, Cadmos Verlag
ISBN 978-3-8404-1056-7
UVP 29,95 Euro
erhältlich bei Cadmos: bestellen