PRODUKTTEST

Der Jungbrunnen

Ein Artikel von Stephanie Schiller | 18.06.2020 - 12:23
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Pferdesenior Gucci testet das Horse-Set von BEMER bestehend aus einer Decke und zwei Gamaschen. © Stephanie Schiller

Neugierig und mit gespitzten Ohren äugt Gucci seiner Besitzerin in die Sattelkammer nach. Ebenso neugierig stupst er sie kurz darauf mit der Nase an, als sie dem 24-jährigen Pferdesenior eine petrolfarbene Decke auf- und zwei Gamaschen an den Hinterbeinen anlegt. Seine ungeteilte Aufmerksamkeit verfliegt erst, als sie ein oranges Steuergerät auf Decke und Gamaschen betätigt und damit das BEMER-Signal aktiviert. Schlagartig senkt der Fuchswallach seinen Kopf, die Ohren wandern gelassen zur Seite und er beginnt merklich zu entspannen.

Gucci wird seit rund zwei Monaten „gebemert“, heißt: mit dem Horse-Set des Liechtensteiner Medizintechnik-Unternehmens BEMER behandelt. Der Konzern hat sich auf die Entwicklung von Behandlungsverfahren zur Verbesserung der Mikrozirkulation vor allem im humanmedizinischen Bereich spezialisiert. Mit dem Horse-Set sind diese auch für Pferde zugänglich. Decke und Gamaschen enthalten mit Kunststoff isolierte Kupferspulen, die per Knopfdruck ein elektromagnetisches Feld erzeugen. Das wiederum übermittelt ein elektrisches Signal in den Pferdekörper. „Das Magnetfeld selbst ist nur Transportmittel. Man kann es sich wie ein Auto vorstellen, das einen von A nach B bringt. Es bringt das Signal von der Decke in den Pferdekörper“, erklärt die Veterinärmedizinerin Dr. Astrid Schöning. Im Pferdekörper angekommen stimuliert das Signal die dem Kapillargebiet vorgeschalteten Arteriolen. Sie sind für den Transport von Sauerstoff, Nährstoffen und Hormonen zuständig. Den Transport treiben sie mittels Pumpbewegungen voran. "Haben Pferde Stress, bei Verletzungen, schlechter Fütterung, Haltungsproblemen oder auch einfach beim normalen Alterungsprozess lässt diese Pumpfunktion nach. Durch das spezifische Signal kann diese wieder angeregt werden“, so Schöning. Die Arteriolen werden stimuliert, die Pumpbewegung und in weiterer Folge der Stoffwechsel der Zellen angekurbelt und damit die Regenerationsfähigkeit des Organismus verbessert.

BEMER ist allerdings kein Ersatz für notwendige Medikamente, sondern eine zusätzliche Therapiemöglichkeit. Im Grunde solle das BEMER-Signal dem Körper dabei helfen, sich selbst zu heilen. Dementsprechend vielseitig könne es auch eingesetzt werden – ob unterstützend bei der Behandlung von Frakturen, Überbeinen, Arthrosen, Weichteilverletzungen wie einem Sehnenschaden, Muskelverspannungen oder schlichtweg zur Erholung, Prävention und Gesunderhaltung. „Bei jungen Pferden beobachten wir immer wieder, dass sie leistungsfähiger sind, schneller regenerieren und einen verbesserten Muskelaufbau zeigen“, so Schöning. Vorsicht sei allerdings bei akuten Erkrankungen sowie Tumorerkrankungen geboten. Denn das Set ersetzt natürlich keine Behandlung durch einen Tierarzt.
 

BEMER im Test

So viel zur Theorie. Doch wie gut wirkt das Therapiegerät in der Praxis? Immer mehr Tierärzt*innen, Physiotherapeut*innen und auch namhafte Pferdesportler*innen werben dafür auf eigenen oder auf Unternehmensplattformen. Unter ihnen etwa prominente Namen wie Paul Schockemöhle oder die deutsche Weltmeisterin im Springreiten Simone Blum. Für uns Grund genug, das Therapie-Set selbst mit zwei Pferden auf Herz und Nieren zu prüfen.

Die Testkandidaten

Gucci, 24, Hessisches Warmblut
Gucci, der Riese von Pferderevue-Mitarbeiterin Nina Just, war früher im Parcours daheim. Der Fuchswallach wird nach wie vor täglich locker gearbeitet. Vor rund zwei Jahren wurde bei Gucci Equine Ordontoclastic Tooth Resorption and Hypercementosis (EOTRH), eine unheilbare Zahnerkrankung, diagnostiziert. Der Verlauf wird seither regelmäßig tierärztlich überwacht. Die EOTRH verursachte dem Wallach bisher weder merkliche Schmerzen noch schränkte sie ihn beim Fressen ein.

Wavo Vada, 16, Slowakisches Warmblut
Ein zweites BEMER-Set wurde auf der Pferderevue-Facebookseite unter Leser*innen für einen kostenlosen sechswöchigen Test verlost. Die Gewinnerin Katharina Brandstetter protokollierten die Testphase ihrer Stute Vada. Die rahmige Braune hatte schon immer Probleme, ihre Hinterhand zu aktivieren, ihren Rücken zu öffnen und sich vorwärts-abwärts zu dehnen. Trotz intensiven Trainings baute sie keine Rückenmuskulatur auf. Als die Stute bei Berührungen des Rückens zusehends Unwohlsein signalisierte, folgte eine genauere tierärztliche Untersuchung und im Winter 2019 die Diagnose: Kissing Spines im vorderen Lendenwirbelbereich. Zudem hatte sie Verspannungen im Hals und Rücken und war im Bereich des Iliosakralgelenks schmerzempfindlich. Nach der Diagnose wurde sie infiltriert und dreimal mittels Laser therapiert. Nach ersten großen Fortschritten begann Brandstetter mit der sechswöchigen BEMER-Behandlung.

Woche eins – Der Test beginnt

Zunächst wurden die Pferde mit dem niedrigsten Programm an das Signal gewöhnt. Aus dem Humanbereich weiß man, dass die Impulse ein Kribbeln auslösen können – ein Gefühl, das einige Pferde zunächst irritieren kann.

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Bei Teststute Vada wurden Kissing Spines diagnostiziert.
© Stephanie Schiller

Auch Teststute Vada zeigte bei der ersten Anwendung der Decke mit Programm P1 eine deutliche Reaktion. „Vada war im ersten Moment wie versteinert und hörte auf zu fressen. Es war, als horchte sie in ihren Körper hinein. Nach nur einer Minute kaute sie dann ab, entspannte sich und wurde richtig anlehnungsbedürftig“, berichtet Brandstetter. Ab der dritten Behandlung benutzte sie auf Anraten von Dr. Schöning, die den Test begleitete, zudem eine Gamasche auf dem Rücken. In den Gamaschen ist der Impuls nicht nur intensiver, sie können auch flexibel an sämtliche Körperstellen des Pferdes gehalten werden.

Auch bei Gucci kam die Gamasche unkonventionell zum Einsatz. In seinem Fall am Kopf, um dort wohltuend auf die erkrankten Zähne zu wirken. Der Wallach reagierte bei der ersten BEMER-Verwendung sofort mit Abkauen, ließ den Kopf ganz schwer werden und nahm dösend eine Entspannungsposition ein. Er wurde zunächst vor und nach der Arbeit gebemert, was sich allerdings recht schnell kontraproduktiv auf seine Arbeitseinstellung auswirkte. „Ich hatte bei ihm jedes Mal, wenn ich ihn vor dem Training behandelt habe, das Gefühl, dass er so entspannt war, dass er richtig grantig wurde, wenn er danach noch arbeiten musste“, so Just.

Bemern wirkt sich nicht nur auf den physischen, sondern auch auf den psychischen Zustand des Pferdes aus. Das untermauert eine Studie der Veterinärmedizinischen Universität Mailand. Sie besagt, dass die BEMER-Therapie die parasympathischen Vorgänge im Organismus fördert. Sie dienen im Körper vorwiegend der Anreicherung von Energiereserven und der Regeneration des Organismus. Zudem hielt die Studie fest, dass durch die Therapie die Losgelassenheit verbessert werden konnte. Nervöse, unruhige Pferde werden merkbar ruhiger. Sie sollte man also durchaus vor einer Trainingseinheit mit der Decke behandeln.

Bei grundsätzlich entspannten Pferden wie unserem Testkandidaten Gucci kann eine Behandlung vor dem Training aber auch in geringes Leistungsvermögen umschlagen. Für ihn ist der optimale Therapiezeitpunkt daher nach der Trainingseinheit zu wählen. Schöning: „Da muss man einfach individuell auf das jeweilige Pferd eingehen. Wenn unsere Stute ihre BEMER-Position eingenommen hat und wir sie dann stören, wird sie zum Beispiel ziemlich genervt. Hinterher ist alles wieder gut, aber diese 15 Minuten beansprucht sie in ihrer Position und will auch nicht gestört werden. Das ist schon interessant.“

Wochen zwei und drei – Erste Ergebnisse

Therapieeffekte erziele man laut Schöning bereits bei zwei bis drei Anwendungen pro Woche, optimal seien aber tägliche Anwendungen. Beide Testkandidatinnen nutzten Decke und Gamaschen täglich und verzeichneten bereits in der zweiten Woche erste sichtbare Ergebnisse. Bei Wallach Gucci wurde der chronisch etwas angeschwollene linke Fesselkopf merkbar dünner. Auch der von der EOTRH herrrührende Speichelfluss ließ merklich nach. Als wollte der Pferdesenior das Set doppelt auf die Probe stellen, zog er sich in der zweiten Testwoche am Paddockzaun eine Verletzung zu. Beide Hinterbeine waren mit offenen Wunden überzogen und stark angelaufen. „Mit der Therapie waren beide Beine binnen einer Woche wieder abgeschwollen. Nur im Sattel konnte ich keine merklichen Änderungen feststellen. Da ging er wie immer", erzählt seine Besitzerin Nina Just.

In Oberösterreich wurde die Decke bei Stute Vada in der zweiten Woche auf das nächsthöhere Programm gesteigert. Eine Gamasche legte Brandstetter gegen die Verspannungen im Halsbereich direkt am Genick auf. „Vada reagierte ganz besonders auf die punktuelle Behandlung und begann gleich zu gähnen und einen Fuß zu entlasten.“ Mit der zweiten behandelte sie eine vernarbte Verletzung am Karpalgelenk. Die Stute zeigte in der zweiten Woche bereits eine deutliche Besserung ihres Zustandes. Sie war weniger empfindlich auf Berührungen in der Gurtenlage und am Rücken. „Sie schnappte beim Satteln auch nicht mehr nach uns.“ In Woche drei wurde die Stute mit Programm P3 therapiert. Von diesem Zeitpunkt an dehnte sich Vada viel schneller in die Tiefe, war im Rücken lockerer und im Gelände trittsicherer.


Wochen vier bis sechs – Stetiger Fortschritt

Der stetige Aufwärtstrend hielt auch in der zweiten Hälfte der Testphase an. Katharina Brandstetters Sorgenkind erhielt die Therapie mittlerweile mit Decke und Gamasche in höchster Intensität. In physischer Hinsicht war der Rücken weniger druckempfindlich, der Hals weniger verspannt, und die Hinterhand arbeitete nun gut mit. Die vernarbte Verletzung am Karpalgelenk war kleiner und elastischer geworden. Auch psychisch hatte sich die Stute laut ihrer Besitzerin verändert. „Sie war viel freundlicher und nicht mehr so angespannt“, so Brandstetter. In der fünften Woche musste die Oberösterreicherin die Therapie aufgrund einer Erkrankung eine Woche lang unterbrechen. Der allgemeine Zustand der Stute verschlechterte sich in dieser Zeit nicht. Lediglich die Vernarbung am Karpalgelenk wurde wieder größer und fester.

Bei Nina Justs Wallach Gucci zeigten sich erst gegen Ende der Testphase spürbare Änderungen unter dem Sattel. Im Training war er nun merkbar schneller losgelassen, ging aktiv vorwärts und leichter in Anlehnung. Und er verlor plötzlich zwei untere Schneidezähne. Just: „Das waren sogar Zähne ohne Verwucherungen von der Krankheit. Interessanterweise hat man dann aber an den Zähnen gesehen, dass sie innen schon komplett verfault gewesen sind. Die sind einfach von selbst ausgefallen. Die Wunde war nicht eitrig, nicht einmal wirklich rot.“

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Der 24-jährige Hesse Gucci vor der BEMER-Behandlung ... © Nina Just

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... und nach sechswöchiger BEMER-Therapie © Nina Just

Fazit

Auch wenn es erste Studien gibt, ist die medizinische Wirkung des BEMER-Signals bislang nicht bis ins Detail belegt. Immer mehr Erfahrungsberichte sprechen für die petrolfarbene Decke und die dazugehörenden Gamaschen – ob als Prävention oder unterstützend bei der Genesung. Die beiden Testpferde haben positiv auf die Therapie angesprochen und physisch sowie psychisch auf die Behandlung reagiert. „Vada hat sich generell im ganzen Umgang verändert. Sie hatte vorher solche Schmerzen, sie hat sich in der Box in eine Ecke gestellt und uns nicht mehr angeschaut. Wir haben sie so nicht gekannt. Sie hat uns gezeigt, dass sie einfach nicht mehr will. BEMER hat geholfen, dass sie sich wieder entspannen kann und dadurch freundlicher wurde. Während der Therapie selbst wurde sie ganz anhänglich und hat sich zu uns gekuschelt“, erzählt Brandstetter. Und Gucci? Für ihn war die BEMER-Therapie wie ein Jungbrunnen, freut sich Nina Just. „Er wirkt im gesamten Wesen um zehn Jahre jünger!"

Zahlen und Fakten

Das BEMER-Set beinhaltet eine Tragetasche, zwei Gamaschen mit abnehmbaren und waschbaren Inlets, die BEMER-Decke, eine zusätzliche Abschwitzdecke, ein Ladekabel mit Magnetstecker und zusätzlichem Y-Adapter, mit dem beide Gamaschen gleichzeitig geladen werden können. Die Decke ist hochwertig verarbeitet und in der Größe stufenlos verstellbar. BEMER-Decke und -Gamaschen haben je drei Programme: P1 mit der Dauer von fünf Minuten und geringster Intensität, P2 mit zehn Minuten bei mittlerer Intensität und P3 für eine Behandlung von 15 Minuten in höchster Intensität. Das BEMER-Horse-Set ist in Österreich für 3990 Euro erhältlich.