Große Oberschenkelpauschen sollen mehr Stabilität geben - können die Bewegung von Reiter:in UND Pferd aber auch erheblich einschränken. © Nataliia | stock.adobe.com
Lange gab es wenige fundierte Informationen über den Einfluss verschiedener Pauschendesigns auf Druckverteilung, den Sitz des Reiters sowie Rücken- und Beinbewegungen des Pferdes. Im Jahr 2023 wurde eine Studie veröffentlich (siehe Kasten Seite 22), die sich genau damit befasste. Das Fazit der Studie: Wird die Bewegungsfreiheit im Sattel durch große, starre Pauschen an der falschen Stelle zu stark begrenzt, wirkt sich das nicht nur auf den Reiter, sondern ebenso auf das Pferd aus. Der Grund dafür ist schnell gefunden: Das Becken des Reiters ist die Zentrale für Gewichtsverteilung, Hilfengebung und einen ausbalancierten, das Pferd nicht störenden Sitz. Die reiterzugewandten Sattelteile – eben auch Knie- und Oberschenkelpauschen – beeinflussen maßgeblich die Beweglichkeit des Beckens und damit die Effektivität des Sitzes. Einschränkungen der Flexibilität des Beckens, etwa durch zu große Oberschenkelpauschen, behindern somit die Harmonie zwischen Reiter:in und Pferd, und haben, wie die Studie zeigt, auch direkten und messbaren Einfluss auf die Kinematik des Pferdes.
Das Wo ist entscheidend
Doch sind große Oberschenkelpauschen per se schlecht? „Nicht die Größe der Pausche ist entscheidend, sondern ihre Position am Sattel und wie viel Neigung sie dem Oberschenkel gegenüber der Senkrechten zulässt“, relativiert Bewegungswissenschaftler und Biomechaniker Dr. Josef Kastner, der sich ausgiebig mit diesem Thema beschäftigt hat. Und er erklärt auch, warum das so ist: „Anatomisch kann der Oberschenkel aus dem Becken heraus weit nach vorne bewegt werden, die Beweglichkeit nach hinten ist jedoch durch die Hüftgelenksbänder stark begrenzt. Das Becken soll aber mit jeder Bewegung des Pferderückens mitschwingen.
Nach vorne hat der Oberschenkel einen großen Bewegungsspielraum – nach hinten deutlich weniger. im Sattel müssen Becken und Oberschenkel daher soviel Freiraum finden, dass die Hütgelenke beweglich bleiben. © Kastner/Hübner/Schlömer: „Setz dich in Bewegung“
Besonders im Trab zeigt sich, wie wichtig diese Bewegungsfreiheit ist: Wenn das Pferd abfußt, kippt das Becken des Reiters nach vorne-oben, während der Oberschenkel in seiner Position bleibt. Dadurch verändert sich der Winkel zwischen Oberschenkel und Becken – die Hüftgelenksbänder werden gestreckt. Ist die Pausche jedoch zu steil angebracht und positioniert den Oberschenkel fast senkrecht, behindern die Hüftgelenksbänder das nach vorne-oben Schwingen des Beckens. Somit kann der Reiter nicht mitschwingen. Für einen modernen, gestreckten Dressursitz ist es daher auch entscheidend, dass der Oberschenkel im Sattel genügend weit vor der Senkrechten ist.“
Gerade bei modernen Dressurpferden mit viel Bewegung im Rücken ist die freie Beweglichkeit im Hüftgelenk – insbesondere in der Aufwärtsbewegung– unverzichtbar. Wird der Oberschenkel durch die Pausche in eine dauerhaft allzu senkrechte Haltung gezwungen, verliert der Reiter die Möglichkeit, den Bewegungen des Pferdes elastisch mit seiner Sitzbasis zu folgen. Somit kann das Becken den Schwung der Pferdebewegung nicht in einer Ausweichbewegung abfangen. Die Bewegungsenergie sucht sich dann einen anderen Weg: Entweder wandert sie nach oben, was sich durch unschönes, rhythmisches Kopfnicken des Reiters zeigen kann, oder nach unten, durch einen wippenden Oberschenkel, sodass die Waden nicht ruhig am Pferd anliegen.
Rund oder schmal?
Ob ein Pferd einen eher breiten, bauchigen Rücken hat oder zu den schmalrippigen Exemplaren gehört, ist bei der Wahl der Größe und Position von Sattelpauschen ebenfalls ausschlaggebend: Je bauchiger das Pferd, desto mehr muss der Oberschenkel vor der Senkrechten sein, um auch den Unterschenkel in die richtige Position ans Pferd bringen zu können. Bei schmalrippigen Pferden kann der Oberschenkel dagegen gestreckter am Pferd liegen – dabei ist natürlich zu beachten, dass diese steilere Lage des Oberschenkels wie oben beschrieben nicht zu einer Bewegungsbehinderung im Hüftgelenk führt.
Wie sehr die Lage und Größe von Pauschen auch von der Anatomie des Reiters abhängt, davon kann Dressurreiterin und Ausbilderin Anja Luise Wessely- Trupp ein Lied singen: „Ich habe sehr lange Beine, und dementsprechend auch sehr lange Oberschenkel. Das macht es ganz allgemein schon schwierig, den richtigen Sattel für mich zu finden. Bei Sätteln mit zu großen und zu senkrechten Pauschen habe ich die unangenehme Erfahrung gemacht, dass ich vor allem beim Leichttraben immer mit dem Oberschenkel an die Pausche gestoßen bin.“
Größe, Form und besonders die Lage von Oberschenkelpauschen haben Einluss auf den Sitz des Reiter – und somit auch direkt auf die Bewegungsabläufe des Pferdes. © Christiane Slawik www.slawik.com
Für die Wahl der richtigen Pausche spielt dementsprechend auch die Länge des Oberschenkels des Reiters eine Rolle: Ein langer Oberschenkel kombiniert mit zu kurzen, hohen Pauschen fixiert den Reiter ebenfalls und fördert die Tendenz zu einem Stuhlsitz, während ein kurzer Oberschenkel und lange, flache Pausche kaum fühlbar den gewünschten Effekt – mehr Halt für den Reiter – haben.
Pauschen an der richtigen Stelle, in der richtigen Form und Größe haben also durchaus ihre Daseinsberechtigung: Der Reiter kann den Oberschenkel, ohne die Adduktoren zu stark einzusetzen, ruhiger halten, was besonders bei modernen Dressurpferden mit ausgeprägter Aufwärtsbewegung im Rücken ein großer Vorteil ist. Das bestätigt auch Wessely-Trupp: „Mit zu großen Pauschen an der falschen Stelle fehlt mir die Bewegungsfreiheit in der Hüfte, um mit der Bewegung des Pferdes mitgehen zu können. Das gilt auch für Pferde mit viel Bewegung, ich habe ja selbst so ein Pferd. Sättel mit Oberschenkelpauschen, die meine Beweglichkeit im Sattel nicht einschränken, mir aber trotzdem Halt geben – das ist optimal.“
Studie: Pauschen beeinflussen auch das Pferd
2023 haben britische Forscher:innen die Auswirkungen von Pauschen auf den Sitz des Reiters und die Kinematik des Pferdes eingehend untersucht.
Die Studie unter der Leitung von Rachel Murray untersuchte mittels Druckmessung die Wirkung von zwei verschiedenen Pauschenmodellen auf die Kinematik des Pferdes und auf die Bewegung der Reiter:innen. Die eine Variante der Pauschen war aus festem, eher starrem Material gefertigt, die andere im Kern ebenfalls fest, allerdings mit verformbarer Außenschicht, sodass sie weniger einschränkend auf den Reitersitz wirkte.
Als Probanden dienten 18 Top-Sportpferde (zwölf Dressur- und sechs Vielseitigkeitspferde), die von vier Grand-Prix-Dressurreiter:innen sowie zwei Fünf-Sterne-Vielseitigkeitsreiter:innen im Trab geritten wurden. Die Auswertung der Ergebnisse, die mittels Sitzdruckmatte sowie durch Bewegungsmarkierungen und High-Speed-Kamera aufgezeichnet wurden, zeigte: Die verschiedenen Pauschenmodelle beeinlussen die Bewegungen von Pferden und Reiter:innen auf unterschiedliche Weise.
Ist die Bewegung im Sattel zu stark eingeschränkt – was durch große und starre Pauschen schnell passieren kann – hat das nicht nur Auswirkungen auf den Reiter selbst, sondern auch auf sein Pferd. In der Vorwärtsbewegung des Pferdes wird das Knie des Reiters gegen die Sattelpausche gedrückt. Als direkte Folge wird das Becken des Reiters daran gehindert, der Bewegung des Pferdes entsprechend zu folgen. Diese Aufgabe muss dann der Rumpf übernehmen.
Ein flexibleres Pauschendesign hat zur Folge, dass der Reiter besser mit den Bewegungen seines Pferdes mitschwingen kann, was das Pferd mit einer besseren Rückentätigkeit und einer größeren Beweglichkeit der Vorderbeine quittiert.
Bei Pferden mit starker Rückenbewegung soll die Pausche Halt geben, darf aber umso weniger einschränken. © www.Slawik.com
Kletter machen’s möglich
Der große Oberschenkelpauschen-Boom entstand etwa in 1980er- und 1990er- Jahren und entwickelte sich parallel zu der Pferdezucht, die immer bewegungsstärkere Pferde für die Dressur hervorbrachte. Das Sitzbild wurde zwar lang und gestreckt, der Reiter aber im Sattel fixiert. Mit dem 21. Jahrhundert und dem wachsenden Wissen um Biomechanik von Pferd und Reiter:in änderte sich die Sichtweise wieder. Auf die Erkenntnisse aus der Biomechanik reagierten auch die Sattelhersteller. Die Antwort der Sattler waren individuell anpassbare Pauschen – vielfach mit Klettsystem. Klettpauschen sind gegenüber fest verbauten Pauschen etwas im Vorteil: sie sind individuell positionierbar (Höhe, Winkel, Abstand), leicht austauschbar (verschiedene Formen/Längen) und ideal für Reiter:innen, deren ausbalancierter, zügelunabhängiger Sitz noch in der Entwicklungsphase ist.
Das bestätigt auch der Profi in Sachen Sattelanpassung Dietmar Kulczycki von König Pferd: „Pauschen zum Kletten sind mittlerweile sehr hochwertig verarbeitet und halten auch gut, was bei älteren Versionen oft noch ein Problem war. Diese Pauschen können schnell und einfach umpositioniert oder komplett getauscht werden. Das ist etwa dann ein Vorteil, wenn man junge Pferde reitet. Damit hat man mit einem Sattel sehr viele Möglichkeiten und kann z. B. auch kleine Sprünge machen, wenn man die Pauschen umklettet oder für diese eine Trainingseinheit einfach andere verwendet. Wichtig ist aber natürlich auch dabei, dass sie für den Reiter passend sind und an der richtigen Stelle geklettet werden. Um sicher zu gehen, dass die neue Position passt oder das andere Pauschenmodell auch wirklich richtig sitzt, sollte das vom Sattler geprüft werden. Sonst führen die Klettpauschen natürlich ebenfalls zu Problemen mit dem Sitz und der Balance des Reiters.“
Bei Monoblattsätteln stoßen die Klettpauschen – was die Haftung am Sattel und Optik betrifft – aber bis heute an ihre Grenzen. Aber auch für diese Sättel wurden Lösungen gefunden: „Bei Monoblattsättel, die eben nur ein Sattelblatt haben, sind die Pauschen oft aufgenäht und man kann sie tauschen. Bei anderen Modellen sind die Pauschen mit Schrauben so angebracht, dass man diese bis zu einem gewissen Grad in ihrer Position verändern oder gänzlich austauschen kann, um sie ideal an den Reiter anzupassen“, weiß Kulczycki, der bei der Sattelanpassung immer auch die Anatomie des Reiters berücksichtigt und oft auch zum Maßband greift, um etwa die Länge des Oberschenkels oder Unterschenkels des Reiters zu messen.
Wie groß und in welcher Form, in welchem Winkel und in welcher Höhe die Pausche am Sattel liegt beeinflusst den Sitz des Reiters und auch die Bewegungsabläufe des Pferdes. In diesem Sinn lautet die Devise also: So viel Unterstützung wie nötig, so wenig Begrenzung wie möglich.